Textauszüge: Märchen  
     
 
     
     
 

Wie ich es sehe

 
 

Es war ein sonniger, wolkenloser Frühlingstag. Ich stand in meinem Garten und sog frische Luft in meine Lungen. Da ging ein junger Mann langsamen Schrittes, mit suchendem Blick vorbei. Meine Füße bewegten sich zur Tür und ich sprach ihn an. In seinen Augen blitzte etwas auf, als hätte er gefunden was er suchte und im selben Augenblick dachte ich: „Bin ich es, die er sieht, oder etwas hinter mir?“

Wir plauderten und er gefiel mir immer mehr. Ich bat ihn zu mir herein in meinen Garten. Wir gingen im Schatten der Bäume, mit Bienengesumm im Ohr und Blütenduft in der Nase, auf den sonnigen Ruheplatz meiner Wiese zu. Die ersten Frühlingsblumen neigten ihre Köpfe der Sonne entgegen. Meine Quelle plätscherte leise. Sonnenstrahlen tanzten auf den Wellen und sammelten sich im Bach. Man konnte dort bestens seinen Durst stillen. An besonders heißen Tagen kühlte ich meinen Körper in ihm. ...

 
     
  Der Schlüssel  
 

Es war einmal ein sehr reicher Mann. Er hatte so viel Geld und Gold, dass ein großer Raum im Keller dafür notwendig war, wo er alles unterbrachte. Aber er war nicht nur reich, sondern auch misstrauisch, habgierig und böse.

Weil er Angst vor Dieben hatte, ließ er sich den besten Schlosser des Landes kommen. Dieser baute ihm ein besonders sicheres Türschloss ein. Dann beauftragte er einen Schatzmeister, der täglich kontrollieren musste, ob noch alles vorhanden war. Dieser tat dies auch genau.

Bis er eines Tages, nach vollbrachter Arbeit, nicht mehr zusperren konnte, weil er den Schlüssel nicht fand. Verzweifelt durchsuchte er seine Taschen, suchte auf dem Fußboden, drehte sogar jeden Goldbarren noch einmal um. Der Schlüssel blieb verschwunden. ...

 
     
  Schicksal  
 

Es waren einmal zwei Menschenkinder, namens Einer und Anderer. Beide waren ausgestattet mit allem, was zu gesunden und gut aus­sehenden Menschen gehört. Diese zwei hörten davon, dass es eine Göttin gebe, die alle Schätze der Welt besäße. Ihr Name war Glück. Nun dachten die beiden, dass sie diese Göttin aufsuchen sollten. „Vielleicht ist diese Göttin freigiebig und gibt uns etwas von ihren Schätzen ab“, dachten sie.

Ausgerüstet für einen langen Marsch, begaben sie sich auf die Reise. Nach einiger Zeit fiel Einer auf, dass seine Wasserflasche ein Loch hatte. Darauf bat er Anderer: „Gib mir doch einen von deinen Fingern, damit ich das Loch stopfen kann. Meine Hände brauche ich, um die Flasche zu halten.“ Anderer gab ihm den Finger.

Sie wanderten weiter. Am Abend kehrten sie in einem Gasthof ein, um zu essen und zu schlafen. In der Nacht surrten die Stechmücken im Zimmer herum, und stachen und fraßen sich an Einer satt. Er hatte beide Hände voll zu tun, um diese lästigen Insekten ab zu wehren. Da sprach er: „Ach Anderer, gib mir doch bitte einen Finger, damit ich mich kratzen kann.“ Anderer gab ihm den zweiten Finger, und Einer kratzte und kratzte, bis der Finger wund war. Tags darauf wanderten sie weiter. ...

 
     
 

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